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Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

Eingeschränkte Operationskapazitäten im ersten Lockdown. AOK-Studie: Blinddarm-Patienten blieben trotz Corona-Pandemie gut versorgt

Berlin, Dezember 2020 – Patienten mit Blinddarmentzündung wurden auch während des ersten Lockdowns in der Corona-Pandemie rechtzeitig operiert. Dies belegen neue Daten der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) für den Zeitraum März bis August 2020, über die Experten auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) unmittelbar vor Veröffentlichung der Studie berichteten. Die Angaben zu den Blinddarm-Operationen stammen aus etwa 1 000 chirurgischen Kliniken, darunter 90 Kliniken mit kinderchirurgischen Abteilungen. Die Daten der AOK-Versicherten stellen annäherungsweise einen Querschnitt der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland dar.

Die Corona-Pandemie führte im Frühjahr 2020 zu bundesweiten Regelungen, die den Zugang zur medizinischen Versorgung beschränkten – nicht dringliche, planbare Operationen wurden ausgesetzt, um Kapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patienten zu schaffen. „Als Reaktion kam es zu Befürchtungen, dass sich die medizinische Versorgung verschlechtern könnte, dass beispielsweise Patientinnen und Patienten mit Blinddarmentzündungen zu spät operiert werden könnten“, berichtet Professor Dr. med. Udo Rolle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Wäre die Annahme zutreffend, hätte die Rate an komplizierten Blinddarmentzündungen ansteigen müssen.  

Doch dieser Fall ist nicht eingetreten, wie eine gemeinsame Studie von DGCH und dem Wissenschaftlichen Institut der AOK zeigt. Der umfassenden Untersuchung liegen Abrechnungsdaten der AOK zu Blinddarmoperationen zugrunde, auch Appendektomien genannt. „Wir haben die Daten aller Appendektomien aus 1 000 chirurgischen Kliniken in ganz Deutschland ausgewertet, darunter 90 Kliniken mit kinderchirurgischen Abteilungen“, erläutert Rolle. „Und zwar für den Zeitraum des Lockdowns sowie sechs Wochen davor und danach, jeweils für die Jahre 2019 und 2020“, fügt der Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main hinzu. „So hatten wir den direkten Vergleich zwischen Normal- und Ausnahmezustand.“  

Ergebnisse der Studie: Die Häufigkeit von Operationen aufgrund einer komplizierten Blinddarmentzündung blieb im Jahr 2020 trotz des Lockdowns konstant. „Das ist entscheidend, denn bei einer komplizierten Appendizitis ist die Darmwand durchbrochen, und es darf keine Zeit verloren werden“, betont Rolle. Die Rate der Eingriffe bei akuter, unkomplizierter Appendizitis sank dagegen während des Lockdowns im zurückliegenden Frühjahr um 18 Prozent im Vergleich zu 2019. „Das wiederum spricht für ein sehr differenziertes Vorgehen der Mediziner“, so Rolle, „denn in solchen Fällen muss nicht unbedingt sofort operiert werden.“ Vermutlich konnten die Bauchschmerzen mit Flüssigkeitsgabe, Antibiotika und Abwarten gelindert werden. Gleiches gilt für nicht akute Blinddarmentzündungen, die im Lockdown-Zeitraum ebenfalls deutlich zurückgingen. Insgesamt betraf der Rückgang der Blinddarmoperationen vor allem Frauen und die Altersgruppe von ein bis 18 Jahren.  

„Behandlungsbedürftige Blinddarmpatienten wurden also rechtzeitig diagnostiziert und operiert, sie erfuhren während des Lockdowns trotz eingeschränkter Zugangsmöglichkeiten zum Gesundheitssystem keine Nachteile, ihre Versorgung blieb unbeeinträchtigt“, lautet Rolles Fazit. „Die Chirurgen haben bei diesem Krankheitsbild den Stresstest bestanden.“ 

Quelle:

Maneck M et al. „Influence of COVID-19 confinement measures on appendectomies in Germany – administrative claims data analysis of 9 797 patients“, akzeptiert zur Publikation im „Langenbeck’s Archives of Surgery“.