Geschlechterverhältnis in der Medizin: Bringt die Generation Y mehr Frauen in leitende Positionen?
Etwa zwei Drittel der Medizinstudenten sind weiblich. Doch während die Frauen ihr Studium meist in der Mindestzeit und mit guten Noten abschließen, häufig auch promovieren, trifft man sie bei Habilitationsverfahren und als Chefärztin oder Klinikdirektorin deutlich seltener als an Männer. „Wie in der Industrie kann man hier von einer gläsernen Decke sprechen“, stellt DGCH-Präsidentin Gabriele Schackert fest.
Trotzdem finden sich heute im klinischen Alltag mehr und mehr Frauen in führenden Oberarztpositionen und auch zunehmend bei Berufungsverfahren für Professuren an der Spitze. Schackert betont: „Genau wie ihre männlichen Kollegen verdienen es Frauen, bei gleicher Qualifikation aufzusteigen – und das, ohne sich für Karriere oder Familie entscheiden zu müssen.“
Einen positiven Schub erwartet die DGCH-Präsidentin vom veränderten Karrierebewusstsein der nachwachsenden Generationen. „Nicht nur Frauen möchten heute nach der Entbindung zu Hause bleiben, sondern auch immer mehr Männer beanspruchen ihr Recht auf Elternzeit“, berichtet Schackert. Das schaffe vergleichbare Voraussetzungen, Halbtagsstellen seien bei beiden Geschlechtern keine Ausnahme mehr. Die Generation Y habe mit ihrem Anspruch auf eine ausgewogene Work-Life-Balance wie selten zuvor ein Umdenken in der Gesellschaft bewirkt, betont die Neurochirurgin.
„Es gehört heute zur Normalität, dass beide Elternteile arbeiten gehen und Karriere machen können, aber auch, dass sich beide Auszeiten für die Familie nehmen“, weiß Schackert aus Erfahrung als Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Dresden. Die klassischen Geschlechterrollen gehörten spätestens mit dieser Generation der Vergangenheit an. „Die Frauen stehen heute genauso ihren ‚Mann‘ wie die Männer selbst“, betont Schackert.
Trotzdem wäre es bei entsprechender Qualifikation wünschenswert, wenn sich deutlich mehr Frauen für eine Karriere in der Medizin entscheiden würden. Gerade in der Chirurgie arbeiten bislang zu wenige Frauen in leitenden Positionen. „Obwohl es ein enorm faszinierender Beruf ist, ist er auch sehr anstrengend und aufreibend. Das muss man wollen“, so die Präsidentin der DGCH. Auch viele Männer sehen aufgrund der großen Belastung mittlerweile von einer leitenden Position in der Chirurgie ab. „Wir werden sehen, was die Zukunft bringt“, so Schackert. „Doch eines ist klar: Auch in der Chirurgie brauchen wir gute Frauen, die sich der Verantwortung stellen.“
Wie sich die Rolle und Bedeutung von Frauen in medizinischen Führungspositionen in den zurückliegenden Jahren entwickelt hat, erläutert Gabriele Schackert auf einer Pressekonferenz des 133. Chirurgenkongresses am Freitag, den 29. April 2016, von 12 bis 13 Uhr.
Weitere Infos: www.chirurgie2016.de.