DGCH Logo

DGCH
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

Neues Screening der Bauchschlagader Operieren oder abwarten – wozu Chirurgen raten

München – Männer über 65 Jahre können demnächst an einer kostenlosen Ultraschall-Untersuchung zur Früherkennung eines Aneurysmas der Bauchschlagader teilnehmen. Etwa zwei von 1.000 Männern wird danach zu einer Operation geraten, die einem lebensbedrohlichen Riss der Hauptschlagader zuvorkommen soll. In anderen Fällen kann abgewartet werden, ob der Durchmesser der Aorta weiter zunimmt. Worauf betroffene Männer achten müssen und wann ein Eingriff in Frage kommt, erläutern Experten morgen am 24. März 2017 auf einer Pressekonferenz anlässlich des 134. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH).

Ein Bauch-Aortenaneurysma ist eine krankhafte Ausweitung der Hauptschlagader. Sie tritt bei Männern im höheren Alter fünffach häufiger auf als bei Frauen. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Rauchen, ein langjähriger Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette. Auch Männer, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben oder bei denen in der Familie ein Aneurysma aufgetreten ist, sind besonders gefährdet.

Eine Früherkennung ist durch eine Ultraschalluntersuchung der Bauchschlagader möglich. „Sie wird demnächst allen Männern über 65 Jahre als Kassenleistung angeboten, was wir Chirurgen uneingeschränkt begrüßen“, erklärt Professor Dr. med. Tim Pohlemann, Präsident der DGCH. Experten gehen davon aus, dass bei 20 von 1.000 Männern ein Aneurysma gefunden wird, das aber nur bei 2 von 1.000 Männern eine lebensbedrohliche Größe erreicht hat.

Eine lebensbedrohliche Größe ist bei einem Durchmesser von 5,5 Zentimetern gegeben. Manchmal zeigt auch eine Pilzform an, dass das Aneurysma jederzeit einreißen kann. „Diese Ruptur führt zu einer schweren inneren Blutung, die auch bei einer sofortigen Operation nur in etwa 60 Prozent der Fälle überlebt wird, wenn der Patient das Krankenhaus lebend erreicht“, sagt Professor Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG). In Deutschland sterben jedes Jahr etwa 1.200 Menschen an geplatzten Bauch-Aortenaneurysmen. Prominente Opfer waren beispielsweise Albert Einstein oder Thomas Mann.

Eine frühzeitige Behandlung kann den Tod verhindern. Zur Auswahl stehen zwei Methoden. Bei der klassischen Operation eröffnet der Chirurg den Bauchraum und ersetzt nach beidseitigem Abklemmen der Aorta das Aneurysma durch eine Gefäßprothese. Beim häufiger angewandten endovaskulären Verfahren wird über beide Leistenschlagader ein sogenannter Stentgraft in die Aorta geschoben, der das Aneurysma von innen überdeckt. „Der Eingriff ist schonender, weil die Bauchhöhle nicht eröffnet wird und die Zirkulation nicht wesentlich unterbrochen wird“, erklärt Schmitz-Rixen, der die Klinik für Gefäß- und Endovascularchirurgie an der Universität Frankfurt leitet. „Nachteilig ist eine regelmäßige, immer lebenslange Überwachung.“

Beide Behandlungen sind nicht ohne Risiken. Einige Patienten sterben nach dem Eingriff, wenngleich das Risiko sehr gering ist. „Nach den neuesten Zahlen der DGG beträgt die Sterblichkeit 5,4 Prozent bei der Operation und 0,9 Prozent nach dem endovaskulären Verfahren“, berichtet Gefäßchirurg Schmitz-Rixen. Dennoch muss das individuelle Sterblichkeitsrisiko nach Ansicht des Experten in die Kalkulation einbezogen werden.

„Jüngere Patienten ohne weitere Begleiterkrankungen sollten sich auf jeden Fall behandeln lassen“, rät DGG-Experte Schmitz-Rixen. Bei einem älteren Menschen über 80 Jahre, der stark übergewichtig ist, unter der chronischen Lungenerkrankung COPD leidet, eine eingeschränkte Nierenfunktion oder schon einen Herzinfarkt erlitten hat, falle die Entscheidung schwieriger. „Nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken kann es günstiger sein, Blutdruck und Blutfette zu behandeln und abzuwarten, ob das Aneurysma sich weiter vergrößert“, bilanziert der Chirurg.