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Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

"Passion Chirurgie - Viszeralchirurgie" 12/2019

Des einen Lust – des anderen Frust?

Es funktioniert tatsächlich: Allein 2019 hat uns Jens Spahn an die dreißig neue und laufende Gesetzgebungsverfahren beschert – Ende nicht in Sicht! Und in der Tat werden Sie einander dieser Tage nicht nur einen besinnlichen Jahresausklang wünschen, Glück, Erfolg und Freude, nach Möglichkeit im Kreise der Familie, sondern immer wieder auch Gesundheit. Denn, auch wenn sich Vieles ändert und die politischen Einstellungen in unserem Lande in diesen Zeiten wieder besonders heterogen sind, besteht seit jeher ein weltweiter Konsens, nämlich, dass ohne Gesundheit alles nichts ist.

Doch was bringt nun diese sintflutartige Gesetzeslust? Hilft sie dem Patienten weiter? Versetzt sie Ärzte in die Lage, Gesundheitsversorgung ganz neu zu denken und noch viel besser zu praktizieren, im OP Berge zu versetzen? Wenn Sie dies wissen möchten und noch viel mehr, dann begleiten Sie mich doch gerne auf diesem Parforceritt: Passion Gesetz!

Das Themenspektrum war breit – angefangen mit dem Inkrafttreten des Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetzes, pünktlich zum Jahresbeginn 2019, über die 2./3. Lesung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes im März und eine weitere Änderung des Transplantationsgesetzes hin zum Gesetz zur Errichtung eines Implantateregisters, zur Ausbildung von Anästhesie- und Operationstechnischen Assistentinnen (ATA/OTA), zum MDK-Reformgesetz und schließlich hin zur Verabschiedung des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation, um nur einige zu nennen.

Der BDC hat gegenüber dem Gesetzgeber in Stellungnahmen Flagge gezeigt. Zum Beispiel zum Thema Delegation im Gesetzgebungsverfahren zur Ausbildung von ATA/OTA und auch im Bereich der Notfallsanitäter; denn einen entsprechenden Entwurf hatten die Länder auf der Endstrecke in das Verfahren zu ATA/OTA eingebracht. Eine Vereinheitlichung der Ausbildungsbedingungen für ATA/OTA wird befürwortet, eine Substitutionsdebatte hingegen – auch im Hinblick auf Rettungssanitäter und Physician Assistants – abgelehnt. Und auch im Bereich Delegation schlagen womöglich bei vielen von Ihnen zwei Herzen in einer Brust; das Gesetz jedenfalls lässt reichlich Spielraum, zumal die Kompetenz für eigenverantwortliche Tätigkeiten im Bereich Diagnostik und Therapie auch außerhalb der Operations- und Überwachungsentitäten innerhalb des Ausbildungsgangs erworben werden soll.

Und wollen wir denn wirklich weiter am EU-Spitzenplatz als Superleistungsträger festhalten, mit einem schier unendlichen Repertoire an Verantwortlichkeiten – von der Braunüle bis zum Polytrauma? Weil wir weltweit einen Ruf zu verteidigen haben, nicht zuletzt als eines der Länder mit vergleichswese hohen Arztzahlen pro Einwohner – wohingegen die Arztzahlen pro Patient deutlich niedriger liegen? Oder lassen wir es zu, dass die Ausübung von Teilbereichen ärztlicher Heilkunde zunehmend delegiert wird, unter Inkaufnahme dessen, dass wir damit die Tür möglicherweise einen Spalt breit öffnen. Dies sind Fragen, die uns auch weiterhin beschäftigen werden. Denn klar ist, dass wir uns bei einer Dysbalance zwischen Angebot und Nachfrage diesen Themen nicht vollständig werden verwehren können. Begreifen wir es als Chance – lassen Sie uns gemeinsam gestalten!

Farbe bekannt hat der BDC ebenfalls in seiner Stellungnahme zum MDK-Reformgesetz. Obergrenzen für Prüfquoten wurden selbstverständlich begrüßt. Positiv bewertet hat der BDC zudem die neue Besetzung der Verwaltungsräte der Medizinischen Dienste mit immerhin einem Viertel aus Ärzteschaft und Pflege, so wie es der Entwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit zunächst vorsah – obwohl wir Sorge hatten, dass es sich um eines der berühmten Feigenblätter handele, zumal maßgebliche Strukturen innerhalb des Medizinischen Dienstes unverändert bleiben sollen. Mittlerweile liegt der Regierungsentwurf vor. Krankenkassen stellen danach 70 Prozent der Vertreter. Für Landespflege- und -ärztekammern bleiben gerade mal 8,7 Prozent der Sitze (in Zahlen 2 von 23). Aber Vorsicht, die Vertreter der Pflege und Ärzteschaft werden von der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Landes benannt – da könnte ja noch sonst wer kommen! Soweit zur angestrebten Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste.

Blicken wir auf einen ganz anderen Aspekt des MDK-Reformgesetzes, nämlich die Änderung des § 115b SGB V zum ambulanten Operieren. Der Regierungsentwurf sieht eine Neuordnung des Kataloges für Ambulantes Operieren vor. Der BDC hat sich dafür eingesetzt, dass dies keine Einbahnstraße für Krankenhäuser sein dürfe, sondern im Sinne einer echten sektorenübergreifenden Versorgung auch Praxiskliniken, bzw. sektorenübergreifende Strukturen für die Behandlung zugelassen werden müssen. Zudem fehlt eine Klarstellung, dass auch Behandlungen mit kurzen Liegedauern in den Bereich des (erweiterten) ambulanten Operierens fallen können. Schließlich sollte Grundlage für die Vergütung nicht der Einheitliche Bewertungsmaßstab, sondern das DRG-System sein. Denn so wie das Gesetz derzeit konzipiert ist, ist absehbar, dass Krankenhäuser die fraglichen Leistungen schwerlich kostendeckend erbringen können, während ambulante Player zulassungsbedingt nur eingeschränkt teilnehmen können. Grundlage für die Neuordnung soll ein durch die Selbstverwaltung in Auftrag zu gebendes Gutachten sein. Auch hier dürfen wir also weiterhin gespannt sein – und erkennen Handlungsfelder für den BDC!

Was mich zum nächsten Thema bringt – der digitalen Transformation. Und dann hätte ich auch die „Big Three“ des Gesundheitsdschungels: Delegation, Intersektoral und Digital – Nashorn, Elefant und Löwe. Das „Digitale Versorgung Gesetz“ (ja, wer wagt schon noch, nach deutscher Grammatik zu fragen, wenn es um Transformation, wenn nicht gar Disruption geht!) bietet einen umfangreichen Maßnahmenkatalog und zielt darauf ab, die Chancen der Digitalisierung für eine bessere Versorgung der PatientInnen nutzbar zu machen. Zukünftig sollen IT-Innovationen schneller Eingang in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen finden, beispielsweise sollen Gesundheits-Apps zu Lasten gesetzlicher Kassen verordnungsfähig sein. Schwierig dabei ist, dass ÄrztInnen verpflichtet werden sollen, auch Apps in die Behandlung einzubeziehen, die sie selbst nicht verordnet haben. Zur Verbesserung des fachlichen Austauschs, sollen elektronische Kommunikation, der eArztbrief und das Telekonsil gefördert werden, ebenso wie die Umsetzung der elektronischen Patientenakte, um nur einige Aspekte zu nennen.

Unterm Strich: Viele alte und neue Ansätze, die endlich umgesetzt werden sollen – und das ist grundsätzlich begrüßenswert. Denn dem Streit der Parteien und der Selbstverwaltung, im Übrigen auch der unterschiedlichen Fachgesellschaften und Verbände und jeweils heterogenen Mitgliederstrukturen innerhalb derselbigen, ist schon so manch eine gute Idee zum Opfer gefallen. Hoffen wir also, dass die neuen Ansätze am Ende nicht nur durch schiere Masse bestechen – mit vielen beeindruckend kostspieligen Gesundheits-Apps, ÄrztInnen, die sich für ein gewisses Salär (cave: Opportunitätskosten und zusätzliche Verknappung der Ressource Arzt) mit ihren PatientInnen durch elektronische Patientenakten mühen und AU-Bescheinigungen, die elektronisch an die Kassen geschickt werden und parallel – wie seit jeher – dem Patienten ausgedruckt für den Arbeitgeber mitgegeben werden.

Auch an diesen Themen werden wir in 2020 weiterarbeiten, zum Beispiel innerhalb des Themenreferats Chirurgie, Ökonomie und Zukunftsfragen. Interessant ist sicherlich in diesem Zusammenhang auch das Telekonsil zum Nutzen von ÄrztInnen und PatientInnen. Für Ihre Anregungen sind wir natürlich offen und wie immer auch sehr dankbar!

Und damit wären wir beim BDC, der Geschäftsstelle mit ihren MitarbeiterInnen, dem Vorstand und den MandatsträgerInnen: Ihnen allen gilt mein persönlicher Dank für Ihr unermüdliches Engagement, für Ihre tolle Arbeit und zahlreiche gute Tipps und Ratschläge innerhalb meiner ersten Zeit im und für den BDC. Auch für das nächste Jahr haben wir uns eine Menge vorgenommen. Auf neue Beine gestellt wird die eAkademie. Im dritten Quartal werden Sie diese hoffentlich in gänzlich neuem Gewand nutzen können. 2020 wird es erstmalig ein Webinar zur Nachlese des Deutschen Chirurgenkongresses (DCK) geben. Zudem bietet die Akademie neue Seminare an zum Thema „Update Robotische Chirurgie“ und den „Ökonomischen Notfallkoffer für Chirurgen“. Hier setzen wir auf Ihre Teilnahme und auf Ihre Publicity! Ganz oben an stehen wird schließlich ein politisches Agenda-Setting für den BDC, damit einmal mehr deutlich wird, was 17.000 ChirurgInnen in Deutschland leisten und wohin sie wollen!

Ihre
Dr. med. Friederike Burgdorf, M. Sc.

Geschäftsführerin
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)
Luisenstraße 58/59
10117 Berlin
burgdorf[at]bdc.de