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Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

"Passion Chirurgie" - Update Viszeralchirurgie 07-08/2022

In der aktuellen Ausgabe der Passion Chirurgie werden in drei Artikeln die neuesten Entwicklungen bei der Behandlung von Krebserkrankungen des Rektums, der Leber und des Pankreas dargestellt. Neben den operativ -technischen Weiterentwicklungen haben sich vor allem auch die onkologischen Behandlungskonzepte bei den soliden viszeralen Tumoren in den letzten Jahren verändert. Sie sind komplexer und vielfältiger, andererseits gezielter und individueller geworden. Dadurch wird die interdisziplinäre und interprofessionelle Versorgung onkologischer Patienten, eigentlich schon lange geforderter Standard, zunehmend entscheidend für Lebensqualität und Prognose unserer Patienten.

Die Bündelung interdisziplinärer onkologischer Expertise führt letztlich zu einer in den USA und in vielen europäischen Ländern bereits umgesetzten Zentralisierung inklusive Gründung von "Comprehensive Cancer Centers". Die qualitativ hochwertige Versorgung aller Patienten in der Fläche verlangt aber nach einer besseren Vernetzung der Krankenhäuser und einer Verbesserung der intersektoralen Versorgung in Deutschland. Dieser Strukturwandel des deutschen Gesundheitssystems ist überfällig und sollte idealerweise von uns mitgestaltet werden. Zurzeit wird in Deutschland bisher lediglich über die Mindestmengenregelung komplexer Eingriffe versucht die bestehende hohe perioperative Letalität und schlechte Behandlungsqualität in der Fläche zu verbessern. Die Mindestmengen in Deutschland sind im Vergleich zu anderen Ländern noch sehr niedrig und werden sicher mit der Zeit höher angesetzt und vor allem durch strukturelle Vorgaben ergänzt werden.

Die Rolle der Chirurgie bei der Versorgung onkologischer Patienten wird aber zukünftig vor allem davon abhängen, dass wir als Chirurgen auch weiterhin die Krankheitsbilder, die Behandlungsoptionen in ihrer ganzen Komplexität verstehen und die Indikationen und den Behandlungsverlauf gestalten. Es wäre für unser Fach und unseren Nachwuchs aus meiner Sicht fatal, wenn wir uns auf den technischen operativen Akt reduzieren würden. Das Weiterbildungscurriculum für chirurgische Onkologie der Arbeitsgemeinschaft Chirurgische Onkologie (ACO) der DGAV ist eine geeignete Weiterbildungsmöglichkeit für Viszeralchirurgen. Ähnliche Curricula werden in den allen chirurgischen Fachbereichen entstehen. Letztlich ist auch heute bei den meisten soliden Tumoren des Viszeraltraktes die qualitativ hochwertige chirurgische Behandlung und Resektion Voraussetzung für eine potentielle Heilung und eine gute Lebensqualität der Patienten.

Der Erfolg einer chirurgischen Therapie ist neben der sicheren Durchführung der Operation vor allem von der perioperative Therapie, dem rechtzeitigen Erkennen von Komplikationen und stringenten Komplikationsmanagement abhängig. Hierfür sind neben den strukturellen Voraussetzungen vor allem die personellen Ressourcen unterschiedlicher Fachdisziplinen rund um die Uhr vor Ort erforderlich. Die perioperative Behandlung, angefangen von der Diagnostik und Vorbereitung der Patienten (inklusive Prähabilitation) bis zur patientenorientierten individuell angepassten postoperativen Versorgung (u.a. mittels ERAS (- enhanced recovery after surgery)- Konzepten), ist eine für den Erfolg der Behandlung entscheidende Aufgabe von uns Chirurgen.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die operativen Möglichkeiten durch die Implementierung innovativer Techniken, wie u.a. die minimalinvasive Chirurgie inklusive Robotik, sowie die intraoperative Bildgebung von Sonographie bis zu "augmented reality" -Systemen verändert. Viele dieser Techniken bieten potentiell Vorteile für unsere Patienten und auch für uns als Behandler. Da neue Technologien kostenintensiv sind, aber gleichzeitig im DRG-System nicht abgebildet sind, ist die Finanzierung dieser Innovationen schwierig. Durch Reduktion von Komplikationen könnte die Verweildauer und die stationären Kosten potentiell gesenkt werden, was sich in Studien jedoch erst für die einzelnen Indikationen zeigen muss. Wichtig ist es zudem im Rahmen von Studien die Eignung dieser Technologien unabhängig und wissenschaftlich zu evaluieren. So wäre bei nachweisbaren Vorteilen eine Implementierung dieser Technologien in den chirurgischen Alltag und auch eine Berücksichtigung im DRG-System möglich. Die Affinität unseres Faches zu technischen Neuerungen ist für den chirurgischen Nachwuchs interessant und wichtig. Weitere potentielle Vorteile technischer Innovationen in der Chirurgie sind u.a. das schnellere und sicherere Erlernen operativer Fähigkeiten durch Simulationseingriffe.

Die drei "update" Artikel zur Behandlung von Tumoren des Rektums, der Leber und des Pankreas stellen die neuesten Behandlungskonzepte kurz und prägnant dar. Hierbei werden auch die hier von mir dargestellten Facetten der chirurgischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten, aber auch die Möglichkeiten und Herausforderungen unseres Faches deutlich. Viel Spass beim Lesen.

Univ.-Prof. Dr. med. Jens Werner, MBA
Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie
LMU, Klinikum der Universität München
Campus Großhadern, Marchioninistr. 15, 81377 München
Campus Innenstadt, Ziemssenstr. 5, 80336 München