Wenn Krankenhäuser grün werden: Chirurgie auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit
Auf 5,2 Prozent oder – in absoluten Zahlen – 2,7 Gigatonnen CO2-Äquivalente beziffert der aktuelle „Lancet Countdown on Health and Climate Change“ den Anteil, den die weltweiten Gesundheitssysteme an der Freisetzung klimaaktiver Gase haben. „Dabei muss die Chirurgie als besonders ressourcenintensiver Fachbereich gelten“, sagt Professor Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen, Generalsekretär der DGCH. Intensive Anforderungen an die Hygiene, ein hoher Anteil von Einwegmaterialien und Plastikmüll und nicht zuletzt die umfangreichen Räumlichkeiten, für deren Beleuchtung, Heizung, Lüftung und Klimatisierung Energie aufgewendet werden müsse, machten sich in der Umweltbilanz des OP-Bereichs und der Funktionsräume negativ bemerkbar.
Ein weiterer Grund, warum die Chirurgie stark zum Treibhausgasaufkommen beiträgt, ist die klimaschädliche Wirkung von Narkosegasen. „Die Vermeidung von besonders klimaschädlichen Gasen und Verfahren, mit denen die Gase aus der Abluft gefiltert und sogar recycelt werden können, sind sehr sinnvoll“, so der DGCH-Generalsekretär. Solche Verfahren sind zunehmend bereits im Einsatz. Andere Maßnahmen betreffen den Klinikbetrieb als Ganzen – etwa die 5R der Müllvermeidung („Reduce, Reuse, Rethink, Research und Recycle“) oder die Umstellung der Krankenhausküche auf fleischarme Gerichte, Bio-Produkte und Produkte regionaler Anbieter. Energie- und Wasserverbrauch können durch intelligente Steuerungssysteme, ein eigenes Brauchwassersystem und Solaranlagen reduziert werden, eine energetische Sanierung der Klinikgebäude verringert die zum Heizen oder Kühlen benötigte Energie. „Auch die Telemedizin kann einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten“, sagt Schmitz-Rixen. Digitale Sprechstunden könnten Wege in die Klinik ersparen – etwa, wenn es um einen Kontrolltermin nach unkomplizierten Eingriffen gehe.
Bereits bis 2030, so hat es der 125. Deutsche Ärztetag vor rund eineinhalb Jahren gefordert, soll das deutsche Gesundheitswesen klimaneutral sein. „Diesem Ziel fühlt sich auch die DGCH verpflichtet“, sagt Schmitz-Rixen. Die Fachgesellschaft weitet den ökologischen Blick daher über das Klinikum hinaus und sucht den direkten Kontakt mit der Industrie. „Im Rahmen eines runden Tisches möchten wir gemeinsam mit den Herstellern von Verbrauchsmaterialien, Medizinprodukten, Chemikalien, technischen Geräten und Arzneimitteln nach Wegen zu mehr Nachhaltigkeit suchen“, sagt Schmitz-Rixen. „Nur so können wir zum Beispiel das Aufkommen von etwa 8000 Tonnen medizinischer Einmalinstrumente reduzieren, die in Deutschland jedes Jahr im Müll landen.“ Im Sinne eines Life-Cycle-Assessments müsse dabei der gesamte Lebenszyklus eines Produkts auf den Prüfstand gestellt werden – vom Ressourcenverbrauch bei der Herstellung über Transportwege und Verpackung bis hin zu Haltbarkeit und Recycelfähigkeit.
Quellen:
- https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(22)01540-9/fulltext?trk=organization_guest_main-feed-card_feed-article-content
- Watts N, Amann M, Arnell N, Ayeb-Karlsson S, Belesova K, Boykoff M et al (2019): The 2019 report of the Lancet Countdown on Health and Climate Change: ensuring that the health of a child born today is not defined by a changing climate. Lancet 394(10211):1836–1878
- https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(20)30271-0/fulltext
Bei Veröffentlichung Beleg erbeten.
Kontakt für Journalist*innen:
DGCH Pressestelle
Anne-Katrin Döbler/Kerstin Ullrich
Berliner Büro:
Langenbeck-Virchow-Haus, Luisenstraße 59, 10117 Berlin
Telefon: 0711 8931-641
ullrich[at]medizinkommunikation.org