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Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

Interdisziplinäres Symposium „Ärztliche Leistungen: Delegation gestalten, Substitution verhindern“

24. September 2014, Langenbeck-Virchow-Haus Berlin

Das Interdisziplinäre Symposium „Ärztliche Leistungen: Delegation gestalten, Substitution verhindern“ wurde auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) sowie der anästhesiologischen und chirurgischen Berufsverbände (BDA, BDC) am 24.September 2014 in Berlin gestaltet.

Hintergrund für diesen Gedankenaustausch und die intendierte Positionsbestimmung der beteiligten Fachgesellschaften und Berufsverbände ist eine bundes-, landes- und kommunalpolitische ebenso wie berufspolitische Diskussion zur Frage der a) Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal und b) der Substitution, also der Übertragung, ärztlicher Kernleistungen auf nichtärztliches Personal unter deren Initiativ- und Endverantwortung und insofern ohne Supervision. Diese Diskussion wird schon seit längerer Zeit vor dem Hintergrund einer Ressourcen-Fehlallokation geführt. So existiert in der Bundesrepublik ein Nebeneinander von Regionen ausufernden medizinischen Leistungsangeboten und solchen, in denen ein qualitativ und quantitativ adäquates Therapieangebot nicht hergestellt werden kann. Als Resultat demographischen Wandels ist zu erwarten, daß diese Versorgungs-Asymetrien in den kommenden Jahren noch zunehmen werden. Zusätzlich wird in Politik und Versicherungswirtschaft spekuliert, dass Gesundheitssystem durch Delegation und Substitution ohne Qualitätsverlust finanziell zu entlasten. Weiterhin ist eine europäische Bewegung zur Akademisierung von Gesundheitsfachberufen Realität und in unterschiedlichen Krankenhausorganisationen werden bereits Studiengänge oder deren Analoga mit dem Ziel einer Aufwertung des klassischen Pflegeberufes umgesetzt. Schließlich wurde im Koalitionsvertrag der Bundesregierung formuliert, dass „der Einsatz von qualifizierten nichtärztlichen Gesundheitsberufen, die delegierte ärztliche Leistungen erbringen, flächendeckend ermöglicht und leistungsgerecht vergütet werden soll. Modellvorhaben zur Erprobung neuer Formen der Substitution ärztlicher Leistungen sollen darüber hinaus aufgelegt und evaluiert werden und, je nach Ergebnis, in die Regelversorgung überführt werden.“

Um diese Entwicklung aus relevanten Perspektiven zu bewerten, analysierten namhafte Experten aus Rechtswissenschaft, Ärztekammern, der Kostenträger, akademisierter Pflege sowie unterschiedlichen klinischen Disziplinen Potenziale und Limitationen zu Delegation und Substitution. Das Fazit: a) Die Delegation ist ein denkbarer Weg, Ärzte/innen von nicht ärztlichen, über Jahrzente fehlübernommenen Aufgaben zu entlasten. Eine Refokussierung auf die Ausübung ärztlicher Kernkompetenz, die nicht durch zu definierende Delegationsinhalte berührt sein darf, wird begrüßt. b) Die Substitution ärztlicher Kernkompetenzen wird abgelehnt. c) Ein Einsparpotential bei den Personalkosten im Gesundheitswesen ist nicht zu erwarten. d) In Anerkennung regionaler Versorgungsmängel demographischen Effekten werden Strukturinitiativen gefordert, die einen zielscharfen Einsatz ärztlicher Kernkompetenz mit Wirkung in der Therapietiefe – und breite bewirken.

Im Einzelnen wurde dieses Fazit wie folgt erarbeitet: Das Interdisziplinäre Symposium sprach sich einheitlich dafür aus, dass die prinzipielle Delegierbarkeit von Tätigkeiten an nichtärztliches Personal denkbar ist: Assistenz (untergeordnete Tätigkeit) und Delegation (ärztliche Verantwortung) bleibt erhalten. Mit gleicher Eindeutigkeit wurde festgestellt, dass eine Substitution (Übertragung der Leistung mit Übergang der ärztlichen Verantwortung an diese Person = selbstständige Ausübung der Heilkunde) undenkbar ist. Alle Teilnehmer der Veranstaltung haben übereinstimmend festgestellt, dass ärztliche Kernkompetenz weder durch Delegation noch durch Substitution unterlaufen werden darf. Auf dem Weg zu einer in o.g. Sinne zielscharfen Delegation wird es erforderlich sein, dass die jeweiligen Fachgesellschaften ihre Standards, d. h. die wissenschaftlich abgesicherten Handlungen und die berufsspezifische Sorgfalt, die von Fachkollegen akzeptiert ist, definieren. Erst dann kann wiederum fachspezifisch festgestellt werden, wem welche medizinischen Leistungen übertragen werden können. Dies unterliegt originär und eigenständig der sachverständigen Beurteilung des Standards der Fachgesellschaft. Hintergrund für eine solche Betrachtung ist das Maß der aufzubringenden Sorgfalt, welches sich nach der Größe der vom Patienten abzuwendenden Gefahr richtet. Aus diesen juristischen Definitionen zu Standards und der Herleitung delegierbarer Tätigkeiten ergibt sich die Notwendigkeit einer sauberen Definition der ärztlichen Kernkompetenz eines jeden Faches. Diese ist nicht delegierbar. Gleichzeitig müssen delegierbare, die Ärztinnen und Ärzte von nichtärztlichen Aufgaben befreienden Tätigkeiten definiert werden. Im Sinne der Delegation an nichtärztliches Personal ist eine Diversifizierung bzw. Weiterentwicklung der klassischen Gesundheitsfachberufe im Sinne einer Akademisierung ebenso sinnvoll wie unumkehrbar. Es wurde festgehalten, dass die gegenwärtig sehr verschiedenen Akademisierungsangebote für Gesundheitsfachberufe synchronisiert werden sollten, gegebenenfalls im Sinne eines auch für Ärztinnen und Ärzte in einigen Fachgesellschaften bekannten Common Trunks. In der Diskussion des Symposiums war befürchtet worden, dass durch Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal eine Konkurrenz im eigenen Lager im Sinne einer Verdrängung von Weiterbildungsassistenten entstehen kann. In der Gesamtschau jedoch wurde deutlich, dass das Delegationsmoment insbesondere im Bereich der von Ärztinnen und Ärzten über Jahrzehnte akquirierten nichtärztlichen Aufgaben liegen wird und insofern klassische ärztliche Leistungen, insbesondere solche, die auch im Weiterbildungskatalog gefordert werden oder zum Gesamtbild einer medizinischen Handlung bedeutsam sind, ohnehin nicht von Nichtärztinnen und -ärzten übernommen werden. Das Interdisziplinäre Symposium forderte darüber hinaus vehement ärztliche, validierte Weiterbildungsstrukturen und selbstverständlich eine Weiterbildungsfinanzierung. Die Berufsbilder von chirurgisch-technischen Assistenten oder auch Physician Assistants sind akzeptiert, nachdem diese strukturiert (curricular) ausgebildet werden und den Arzt von zuletzt schleichend akquirierten nichtärztlichen Handlungen befreien. Nochmals: Hier entsteht keine Verdrängung von Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten. Das Symposium befasste sich schließlich auch mit alternativen Lösungsansätzen zur Elimination medizinischer Versorgungsmängel. So wird gefordert, dass medizinische Leistungs- und Mengenspektren über alle Fächer und alle Regionen hinweg analysiert werden und es im Sinne von leistungsgerechter Steuerung gegebenenfalls zu einer Konsensation von Leistungs- und Mengenspektren kommt. Dies ist auch im Sinne von Initiativen zu verstehen, die Leistungs- und Mengenspektren über die Bundesrepublik symmetrisch gestalten wollen.